Allem Anfang wohnt eine Irritation inne.
Mein erster LinkedIn-Post mit meiner neuen Positionierung. Ich war nervös, aber auch klar: "Ich begleite Männer in Führungspositionen durch Übergangsphasen - vor allem am Ende ihrer Berufslaufbahn."
Die Reaktionen kamen schnell. Kommentare. Nachrichten. Die meisten von Frauen.
"Warum nur Männer? Warum verwehrst du Frauen dein Coaching?"
"Interessant, dass du dir ausgerechnet DIESE Zielgruppe aussuchst."
"Wäre es nicht wichtiger, Frauen zu stärken?"
Ich saß vor meinem Laptop und dachte: Moment mal. Wir reden ständig über Gleichberechtigung, über neue Wege, über das Aufbrechen alter Strukturen. Aber wenn ich als junge Frau Mitte 30 sage, dass ich mit Männern arbeite, die zwanzig Jahre älter sind als ich - dann ist das... verdächtig? Falsch? Verrat?
Genau in diesem Moment wurde mir klar: Wir stecken fest. Alle zusammen.
Asymmetrisch auf Augenhöhe
Dieser Blog heißt "Asymmetrisch auf Augenhöhe - warum ungleiche Beziehungen neues Denken möglich machen".
Ein Widerspruch, oder?
Asymmetrisch - das bedeutet: ungleich. Unterschiedliche Ausgangspositionen. Verschiedene Lebenserfahrungen. Verschiedene gesellschaftliche Erwartungen an eine junge Frau und an einen älteren Mann.
Auf Augenhöhe - das bedeutet: gleich. Gleiche Würde. Gleicher Respekt. Gleichwertige Perspektiven im Prozess.
Wie soll das zusammengehen?
Genau diese Frage ist der Kern meiner Arbeit. Und genau diese Frage zeigt, wo wir alle feststecken.
Die Irritation ist der Spiegel
Wenn Menschen erfahren, dass ich hauptsächlich Männer coache, die zwanzig Jahre älter sind als ich, folgt meist: Irritation.
Nicht böse gemeint. Oft ehrlich neugierig. Aber da ist sie: die Irritation.
Wie kann das funktionieren? Hat sie denn genug Lebenserfahrung? Nehmen die Männer sie ernst? Ist das nicht... ungewöhnlich?
Ja. Es ist ungewöhnlich. Weil wir gewohnt sind zu denken:
- Wer älter ist, hat mehr zu sagen 
- Wer männlich ist, gibt die Richtung vor 
- Wer Erfahrung hat, lehrt den Unerfahrenen 
- Wer oben ist, bleibt oben 
Diese Muster sind so tief in uns verankert, dass wir sie oft nicht mal bemerken. Bis etwas sie sichtbar macht. Bis etwas irritiert.
Die Asymmetrie zwischen mir und meinen Klienten ist dieser Spiegel.
Sie zeigt: Wir alle tragen Annahmen darüber mit uns herum, wer mit wem auf welche Weise sprechen darf, kann, sollte.
Warum Asymmetrie wertvoll ist
In meiner Coaching-Praxis erlebe ich etwas, das die Irritation erklärt - und gleichzeitig auflöst:
Gerade WEIL ich nicht die Peer bin. Gerade WEIL ich einen anderen Blick mitbringe. Gerade WEIL ich nicht in denselben Mustern sozialisiert wurde - genau deshalb entsteht ein Raum, in dem neues Denken möglich wird.
Meine Klienten können verletzlich sein, ohne Konkurrenz fürchten zu müssen. Sie können Fragen stellen, die sie einem Gleichaltrigen nicht stellen würden. Sie können Muster hinterfragen, die in ihrer Generation als gesetzt gelten.
Und ich? Ich kann Fragen stellen, die jemand aus ihrer Generation vielleicht für selbstverständlich hält.
Die Asymmetrie ist nicht das Problem. Die Asymmetrie ist der Raum, in dem neues Denken möglich wird.
Aber - und das ist entscheidend - nur, wenn wir sie auf Augenhöhe gestalten.
Was Augenhöhe bedeutet
Auf Augenhöhe heißt nicht: Wir sind gleich.
Auf Augenhöhe heißt: Wir begegnen uns als Gleichwertige.
Meine Klienten bringen Lebenserfahrung, Führungskompetenz, Jahrzehnte an Wissen mit. Das respektiere ich zutiefst.
Ich bringe eine andere Perspektive, andere Fragen, andere Reflexionsräume mit. Das respektieren sie.
Keiner von uns hat die Wahrheit gepachtet. Keiner von uns ist der Lehrende oder der Lernende. Wir sind beide beides.
Das ist Augenhöhe: Unterschiede anerkennen UND gleichwertig sein.
Worum es in diesem Blog geht
Es geht nicht nur um Coaching. Es geht um etwas Grundsätzlicheres:
Warum machen ungleiche Beziehungen neues Denken möglich?
Weil sie unsere Muster sichtbar machen. Weil sie irritieren. Weil sie uns zwingen, gewohnte Annahmen zu hinterfragen.
Das gilt nicht nur für die Konstellation "junge Frau coacht älteren Mann". Das gilt überall:
- Wenn Jüngere Ältere führen 
- Wenn Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammenarbeiten 
- Wenn etablierte Hierarchien nicht mehr greifen 
- Wenn wir gezwungen sind, Beziehungen neu zu definieren 
Die Frage ist: Sehen wir die Ungleichheit als Problem - oder als Chance?
Alte Muster erkennen wir oft erst, wenn etwas sie durchbricht. Neue Denkweisen entstehen oft da, wo wir sie nicht erwarten.
Die Geschichten, die ich teilen will
In diesem Blog will ich von meinen Klienten erzählen. Anonymisiert, selbstverständlich, aber konkret.
Von Männern, die längst erkannt haben, dass alte Muster nicht mehr funktionieren. Die bereit sind, sich anzuschauen, wo sie selbst im Weg stehen. Die eine Sparringspartnerin suchen.
Von Männern, die auf den Ruhestand zusteuern und sich fragen: "Wer will ich jetzt sein?" Die ihre Rolle neu definieren wollen. Die nicht mehr die sein wollen, für die andere sie halten.
Diese Geschichten zeigen: Neues Denken ist möglich. Und es entsteht oft da, wo wir es nicht erwarten.
Für wen dieser Blog ist
Dieser Blog ist für dich, wenn du:
- Glaubst, dass wir mehr können als "gegeneinander" 
- Bereit bist, eigene Muster zu hinterfragen - egal welches Alter oder Geschlecht du hast 
- Verstehen willst, wie Veränderung wirklich funktioniert, statt nur darüber zu reden 
- Konkrete Geschichten lesen willst statt abstrakter Theorie 
- Dich manchmal fragst, ob du selbst in Denkmustern feststeckst, die du eigentlich hinterfragen möchtest 
Dieser Blog ist ein Experiment. Ein Versuch, anders über Dinge zu sprechen, über die wir längst festgefahren diskutieren.
Asymmetrisch auf Augenhöhe - das ist nicht nur meine Coaching-Praxis. Das ist eine Haltung. Eine, die zeigt: Ungleiche Beziehungen sind nicht das Problem. Sie sind der Ort, an dem neues Denken entstehen kann.
